LyX ist eine WYSIWYM-Textverarbeitung und Frontend für LaTeX.
Homepage: http://www.lyx.org/
Lizenz: GPL
Ab Version 1.2.1 läuft LyX auch mit der freien (ab 1.0RC4) Version der XForms-Bibliothek.
Ab Version 1.3 gibt es LyX auch alternativ mit einer modernen Qt-Oberfläche.
Weitere Links:
Tips & Tricks(broken link) {en} gesammelt von Herbert Voss
Deutsche LyX Seite von Peter Sütterlin (broken link)
LyX Wiki {en}
Inhalt
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist LyX?
1.1. Überblick
Ein Teil der anfänglichen Herausforderung bei der Nutzung von LyX liegt in der Änderung der Denkweise, die Sie, der Leser, schaffen müssen. Früher gab es nur Schreibmaschinen, um Texte zu erstellen, und so lernten wir alle viele Tricks, um deren Unzulänglichkeiten zu umgehen. Das Unterstreichen zum Beispiel, das eigentlich mehr ein Übermalen mit einem "_" ist, wurde ein Standardweg, um Text hervorzuheben. Beim Anlegen einer Tabelle mußte man sich im voraus überlegen, wie groß jede Spalte sein muß, und setzte die entsprechenden Tabulatoren. Das gleiche gilt für Briefe oder anderen rechtsbündigen Text. Worttrennungen am Zeilenende verlangten ein scharfes Auge und viel Vorausdenken.
In anderen Worten, wir haben gelernt und geübt, uns darum zu kümmern, welcher Buchstabe wo gesetzt wird.
Als direkte Folge davon haben die meisten Textverarbeitungen diese Mentalität übernommen. Man verwendet weiterhin Tabulatoren, um dynamischen Leerraum zu erzeugen, und muß sich immer noch darum kümmern, wo genau auf der Seite etwas erscheinen wird. Um eine Textstelle hervorzuheben, wird der Zeichensatz geändert, gleichsam wie das Auswechseln des Typenrades einer Schreibmaschine. Sie sehen, was wir meinen.
In diesem Punkt unterscheidet sich LyX von einer herkömmlichen Textverarbeitung. Sie kümmern sich nicht selber darum, wie der Satz genau durchgeführt wird. Sie sagen LyX, was Sie machen wollen, und LyX kümmert sich um den Rest. Dabei folgt es einem festen Regelwerk, das man als Stil bezeichnet. Sehen wir uns ein kleines Beispiel an:
Nehmen wir an, Sie schreiben einen Bericht. Zu Beginn wollen Sie einen Abschnitt "Einleitung". Sie gehen also in das entsprechende Menü Ihrer Textverarbeitung und suchen eine neue Zeichensatzgröße aus, schalten Fettdruck ein. Dann schreiben Sie "1. Einleitung". Wenn Sie natürlich zu einem späteren Zeitpunkt beschließen, daß dieses Kapitel an einer anderen Stelle im Dokument erscheinen soll, oder wenn Sie ein weiteres Kapitel davor einfügen wollen, dann müssen Sie die Numerierung für dieses und alle folgenden Kapitel sowie die Einträge im Inhaltsverzeichnis ändern.
In LyX öffnen Sie das Auswahl-Menü auf der linken Seite der Werkzeugleiste und wählen als Typ Section.
Ja, das ist wirklich alles. Wenn Sie diesen Abschnitt später an eine andere Stelle verschieben, wird die Numerierung automatisch angepaßt. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß LyX automatisch die Querverweise auf Abschnitte des Textes aktualisiert.
Und dann ist da noch das Problem mit der Konsistenz. Fünf Tage später laden Sie den Bericht wieder und schreiben ein Kapitel 4. Sie erinnern sich nicht mehr, daß Sie in den ersten Kapiteln eine 18-Punkt Schrift für die Überschriften verwendet hatten, und wählen eine 16-Punkt Schrift aus. Dieses Problem existiert in LyX nicht, denn der Computer kümmert sich um solche Dinge. Dafür ist er schließlich gedacht.
Oder stellen Sie sich vor, Sie erstellen eine Liste. In anderen Textverarbeitungen besteht eine solche Liste meist aus einer Menge gesetzter Tabulatoren und Zeilenenden. Sie müssen dafür Sorge tragen, daß die Spaltenüberschriften an der richtigen Stelle sitzen, müssen ausrechnen oder probieren, wie viele Leerzeichen einzufügen sind usw. Mit LyX haben Sie nur zwei Dinge, um die Sie sich kümmern müssen: Was für eine Art von Liste Sie wollen, und was darinstehen soll. Das ist alles.
Die Grundidee von LyX ist also: Sagen Sie, was Sie wollen, nicht wie man es macht. An die Stelle des "WYSIWYG" tritt bei LyX das "WYSIWYM": What you see is what you mean, was man sieht ist was man meint.
1.2. Unterschiede zwischen LyX und Textverarbeitungen
Hier ist eine kleine Aufzählung von Dingen, die Sie bei LyX nicht finden werden:
- Das Lineal
- Tabulatoren
- zusätzliche Leerzeichen oder -zeilen (also mehrmals hintereinander Enter oder die Leertaste betätigen)
Tabulatoren, zusammen mit dem Lineal, welches Ihnen die Position von Einträgen auf der Seite anzeigen, sind in LyX sinnlos. Das Programm kümmert sich darum, wo auf der Seite etwas erscheint, nicht Sie. Dasselbe gilt für zusätzliche Leerzeilen. Wenn sie vom Kontext her nötig sind, fügt LyX sie automatisch ein. Anfangs mag es für Sie etwas ungewohnt oder sogar störend sein, keine zwei Leerzeilen nacheinander einfügen zu können. Aber wenn Sie sich erst an das WYSIWYM-Prinzip gewöhnt haben, wird es Ihnen als der natürlichere Weg erscheinen.
Hier nun ein paar Dinge, die es zwar in LyX gibt, jedoch anders verwendet werden, als man sich das vielleicht vorstellt:
- Kontrolle des Einzuges
- Seitenumbrüche
- Zeilenabstände (d.h. einzeilig, zweizeilig usw.)
- Zwischenräume ohne Text, horizontal wie vertikal
- Zeichensätze und -größen
- Schriftarten (fett, schräg, unterstrichen usw.)
Obwohl es all dies in LyX gibt, benötigt man es im Normalfall nicht. LyX nimmt notwendige Einstellungen kontextbezogen vor. Unterschiedliche Teile des Textes werden automatisch in verschiedenen Schriftarten und -größen gesetzt. Der Einzug zu Beginn eines Absatzes ist ebenfalls vom Zusammenhang bestimmt, verschiedene Absätze werden unterschiedlich behandelt. Auch die Seitenumbrüche werden automatisch eingefügt. Generell sind alle Abstände zwischen Worten, Zeilen und Absätzen variabel und werden von LyX bestimmt. 2
Schließlich gibt es auch einige Gebiete, in denen LyX (und LaTeX) herkömmlichen Textverarbeitungen weit überlegen sind:
- Silbentrennung
- Aufzählungen aller Art
- Mathematiksatz
- Tabellen
- Querverweise im Text
Zugegeben, viele moderne Textverarbeitungen können mit mathematischen Symbolen umgehen, und einige beginnen bereits mit der Einführung von Stildefinitionen und einer Art WYSIWYM-Prinzip. Dies ist jedoch noch nicht sehr lange so. Im Gegensatz dazu basiert LyX auf dem Textsatzsystem LaTeX, welches bereits seit über 10 Jahren existiert und funktioniert. All die kleinen Fehler, die ein neues Programm immer hat, sind bei LaTeX schon lange gefunden und beseitigt.3
Ein letzter und ungemein entscheidender Unterschied zwischen LyX und anderen Textverarbeitungen ist die Stabilität. Im Gegensatz zu vielen kommerziellen Produkten behauptet LyX nicht, stabil zu sein, nur um dann bei größeren Dokumenten alle 30 Minuten abzustürzen. Das LyX-Team ist sich sehr wohl darüber im klaren, daß noch nicht alle Fehler ausgemerzt sind, und erst recht werden wir nicht damit anfangen, Fehler als "Features" auszugeben. Sie glauben jetzt vermutlich aus anderweitigen Erfahrungen, daß Sie die Arbeit der letzten Stunden verlieren, sobald Sie über einen dieser Fehler (oh, Entschuldigung... Features) stolpern.
Nein.
Wenn LyX wirklich einmal abstürzt, wird jedes Dokument, das Sie gerade bearbeiten (und bei LyX können das ja mehrere gleichzeitig sein), in seinem momentanen Zustand als Notspeicherung auf die Festplatte geschrieben. LyX erkennt diese Notspeicherungen, wenn Sie versuchen, das entsprechende Dokument das nächste Mal zu editieren. LyX fragt Sie dann, ob Sie das Originaldokument oder lieber die Notspeicherung laden wollen, falls diese ein neueres Datum hat. Es haben bereits viele Leute Doktorarbeiten und ähnlich umfangreiche Dokumente mit LyX erstellt. Trotz gelegentlicher Abstürze hat kaum einer von ihnen (wenn überhaupt jemand) dadurch auch nur eine einzige Seite an Text verloren.
1.3. Was ist denn nun LaTeX?
LaTeX ist ein System zur Erstellung von Texten, das 1985 von Leslie Lamport entworfen wurde.Die Information in diesem Abschnitt basiert auf den Angaben in dem Buch "A Guide to LaTeX2e" von Helmut Kopka und Patrick Daly. Die genaue Quellenangabe finden Sie im Literaturverzeichnis des Benutzerhandbuches. Es basiert auf der Textsatz-Sprache TeX, die von Donald Knuth 1984 entwickelt wurde. "TeX" spricht man aus wie "Blech", und manche halten es auch für etwas blechern. Das liegt aber daran, daß die wenigsten verstehen, was TeX eigentlich ist. TeX liest aus einer ASCII-Datei eine Reihe von Textsatzbefehlen und führt sie aus. Dabei entsteht eine Ausgabe, die man als geräteunabhängige ("device independent", dvi) Datei bezeichnet. Eine solche dvi-Datei kann von vielen Programmen, die dieses Format verstehen, gelesen werden und in andere Formate wie z.B. PostScript® umgewandelt werden.
Wäre das bereits alles, TeX wäre nichts anderes als ein primitiver Textsetzer. Aber in TeX ist es möglich, eigene Befehlssequenzen, sogenannte Makros, zu definieren. Und dadurch sind die Möglichkeiten von TeX schier unbegrenzt.
Die meisten Leute, die TeX verwenden, benutzen tatsächlich ein Makropaket, das Knuth zusammengestellt hat, um den Großteil der Details beim Zeichensatz vor dem Anwender zu verstecken. Dieses Makropaket ist meist gemeint, wenn man von TeX spricht. Das eigentliche TeX mit seinen expliziten Satzbefehlen benutzt kaum ein normaler Anwender, das machen nur diejenigen Leute, die selber Makropakete entwickeln. Und hier kommt Leslie Lamport ins Spiel. Er wollte ein Makropaket, daß sich näher am Benutzer orientiert, und nicht an den Feinheiten beim Textsatz. Ein Paket, mit dem sich einfach Dinge wie Abschnitte, Tabellen oder mathematische Formeln schreiben lassen, ohne zu verwirrend zu sein. So wurde LaTeX geboren.
Parallel zur Weiterentwicklung von LaTeX entstanden andere, spezielle Pakete für TeX: Eines, um Folien zu schreiben oder eines, um Artikel für mathematische Zeitschriften zu erstellen, und so fort. Einige der Autoren verwendeten dazu TeX, andere begannen, LaTeX abzuändern. Um dieses Wirrwarr zu vereinfachen, begann eine Gruppe von LaTeX-Experten (zu denen natürlich auch Lamport selbst gehörte) in den späten 80er Jahren, LaTeX2e zu entwickeln, die heutige Version von LaTeX. Diese neue Version stellt auch Befehle zur Verfügung, um einfach neue Makros zu erstellen, andere Zeichensätze zu definieren und so weiter. Alles in allem ist LaTeX dadurch selber eine ziemlich umfangreiche "Sprache" geworden. Überall auf der Welt haben Benutzer ihre eigenen Erweiterungen für LaTeX geschrieben.
Es existieren zwei unterschiedliche Wege, wie man LaTeX erweitern kann: Klassen und Stile. Eine Klasse besteht aus einer Reihe von LaTeX- (und TeX-) Makros, die eine neue Art von Dokument beschreiben, wie etwa ein Buch oder einen Artikel. Es gibt z.B. Klassen für Folien, für Artikel in mathematischen oder physikalischen Zeitschriften... einige Universitäten haben sogar eine eigene Klasse für ihre Dissertationen zusammengestellt! Im Gegensatz dazu definiert ein Stil keine neue Art von Dokument, sondern eine anderes Verhalten, das ein Dokument nutzen kann. So nutzt LyX zwei unterschiedliche Stil-Dateien, um die Ränder und Zeilenabstände in den Dokumenten festzulegen. Es existieren Stil-Dateien für fast jeden denkbaren Zweck: Um Etiketten und Umschläge zu beschriften, den Texteinzug zu verändern, um Grafikdateien handhaben zu können, spezielle Kopf- und Fußzeilen zu erstellen, Literaturlisten den eigenen Wünschen anzupassen, Erscheinungsbild und Position von Fußnoten, Tabellen und Abbildungen zu verändern und so weiter und so fort.
Hier eine kurze Zusammenfassung:
TeX: Makrofähige Programmiersprache für Schriftsatz.
LaTeX: Makropaket auf der Basis von TeX.
Klassen: Beschreibung eines Dokumententyps, verwendet LaTeX.
Stile: Verändern die Standardeinstellungen von LaTeX.
LyX: Visuelle WYSIWYM-Textverarbeitung, die LaTeX mit all seinen Fähigkeiten zum Ausdruck verwendet.
Der Zweck dieses Abschnittes war es, ihnen zu zeigen, warum LyX etwas anders arbeitet als andere Textverarbeitungen. Dieser Grund ist einfach: LyX verwendet TeX als Formatierprogramm für den Ausdruck. Wie auch LaTeX konzentriert sich LyX auf den Inhalt Ihres Textes --- also was Sie schreiben. Der Rechner kümmert sich dann darum, daß es gut aussieht.
Ach ja --- eine letzte Bemerkung. LaTeX spricht man aus wie TeX, das sich auf das Wort Blech reimt. Wer LaTeX so ausspricht wie das Material, aus dem Kondome hergestellt werden, spricht es falsch. LyX dagegen spricht man "Lücks". Oder "Licks" --- je nachdem, aus welchem Land man stammt...
1.4. Zu tun
ToDo: Die Information zu LaTeX mit der Seite LaTeX zusammenführen, um Redundanzen zu vermeiden.
Nein, dies ist nicht der Versuch, einen heiligen Krieg der Textverarbeitungen anzufangen (oder zu gewinnen). Es ist jedoch wichtig, die Vorteile von LyX zu beschreiben. Und einer dieser vielen Vorteile, das WYSIWYM-Prinzip, unterscheidet sich grundlegend von der Vorstellung, die 99% der Nutzer von einer Textverarbeitung haben. (1)
Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit, alle diese Abstände entweder lokal oder global für das gesamte Dokument zu verändern. Nur in wenigen Fällen ist dabei Wissen über LaTeX notwendig. Näheres finden Sie im Benutzerhandbuch. (2)
Natürlich ist nichts perfekt, aber LaTeX ist so nahe an einem fehlerfreien Computerprogramm, wie dies nur möglich ist. (3)